MUSICA AUSTRIACA

Im Gotischen Langhaus Kloster Niedernburg

Romanus Weichlein – Komponist und Exorzist

Der Linzer Romanus Weichlein hat mit seinen «ENCAENIA MUSICES, 1695» einen Meilenstein der barocken Kammermusik hinterlassen. Für ARS ANTIQUA AUSTRIA steht dieser Komponist im Zentrum ihrer musikalischen Heimat. Begeistert von der musikalischen Qualität, der Virtuosität und der avantgardistischen Anlage seines Schaffens, beschäftigt sich das Ensemble seit seiner Gründung vor beinahe 30 Jahren mit dem Oeuvre des Meisters. Kammermusik der Spitzenklasse!

PROGRAMM

Sonata IV 8`

Grave, Poco allegro, Allegro, 3/2, C, piú allegro, Tardo

Sonata VIII  9`

Adagio, Allegro, Adagio, Allegro, Adagio, Poco allegro, Aria, Tardo

Sonata VI 11`

Fuga, Ciaccona, Adagio, Adagio, Adagio, Allegro

Sonata VII 7`

Adagio, Presto, Adagio, Allegro, 3/2, Allegro, Adagio

Sonata XI 6`

Adagio, Allegro, Aria, Presto, Finale-Adagio

Sonata III 9`

( ), Bassagalia, Grave

Romanus Weichlein (seine bürgerlichen Vornamen sind Andreas Franz) kam als Sohn des Johann Weichlein 1652 in Linz an der Donau zur Welt. Sein Vater war zuerst Stiftsorganist in Zwettl, von 1639 bis 1677 Stadtpfarrorganist in Linz und später Gastwirt. Andreas Franz studierte als Novize des Stiftes Lambach, wählte bei seiner Profess den Klosternamen Romanus. Die drei folgenden Jahre verbrachte der junge Frater an der Universität Salzburg, wo er 1672 zum Baccalaureus und 1673 zum Doktor der Philosophie promoviert wurde. Hier könnte er H.I.F.Biber begegnet sein. Jedenfalls hat er sich mit der Musik des Salzburger Virtuosen eingehend auseinandergesetzt. Weichlein trug selbst sechs der Violinsonaten Bibers öffentlich "cum summa laude“ vor. Er muß also auch über eine bemerkenswerte Violintechnik verfügt haben! Am 8.Juli 1678 wurde er im Stift Lambach zum Priester geweiht. Hier war er schon seit einigen Jahren als Musiker tätig  gewesen. In der  Zeit von 1687 bis 1690 wirkte Weichlein als Kaplan, Musikpräfekt und Hauskomponist am Benediktinerstift Nonnberg. 1691 wird Romanus in selber Funktion an das Benediktinerinnenkloster Säben bei Brixen, einem Tochterkloster des Stiftes Nonnberg, berufen. Die Wahl war auf ihn gefallen, da er „in der Composition und Music Instrumenten“ als ein geachteter, hocherfahrener und „berühmter Herr“ geschätzt war. Seine Sammlung Encaenia Musices op.I erscheint 1695 in Innsbruck an der Hofdruckerei von Jakob Christoph Wagner. Sie weist dieselbe Instrumentalbesetzung auf wie der 1702 in Ulm erschienene Messenzyklus Parnassus Ecclasiastico Musicus, op. II. Beide Werke gehörten wohl mit Sicherheit zum Repertoire des Frauenklosters. Wurden ein Satz originaler Stimmbücher von op.II erst vor geraumer Zeit im Musikarchiv von Ottobeuren entdeckt, so haben sich Stimmbücher von op.I in der Bibliothèque nationale de France in Paris erhalten. Weichlein wurde Anfang 1705 für kurze Zeit nach Lambach zurückgeholt, kam im März dieses Jahres als Pfarrer nach Kleinfrauenhaid, wo er an der „Hungerischen Krankheit“ (Typhus abdomalis) verstarb.

Ein grober Mensch?

So gut Weichlein von der Salzburger Äbtissin in ihrem Ansuchen beim Lambacher Abt beurteilt wird, so löblich fällt auch sein Arbeitszeugnis beim Abgang von Säben aus. Doch der bereits erwähnte Brief seines Mitbruders P. Georg (Oberkirchen, 1684) zeigt den einst in Frauenklöstern zu hohem Ansehen gelangten Musikermönch von einer gänzlich anderen Seite. P. Georg wurde als klösterlicher Visitator an die Wirkungsstätte Weichleins entsandt, weil es wegen seines offenbar cholerischen Wesens zu Ausschreitungen gekommen war. Glaubt man den Aufzeichnungen des visitierenden Mönches, so hat P. Romanus etwa in folgendem Stil zu seiner Köchin gesprochen: „[…] wirstu (wirst du) mir nur 3 Wörtter reden, so mir nicht gefahlen, so will ich dich solchergestalten schlagen und tractieren, daß du die Zeit deines Lebens an mich denkhen sollst.“ Als sich die gescholtene Köchin verbal zur Wehr setzte, verfolgte P. Romanus seine Bedienerin bis in deren Zimmer und hat dann angeblich „gleich angefangen, so lang an die Thür zu rennen, bis sie mitlich aufgesprungen“. Schließlich kam es zu Handgreiflichkeiten, bei der auch diverse Gebrauchsgegenstände als Waffen miteinbezogen wurden. 

Derart rabiates Verhalten mag man bei einem musisch begabten Mönch zu Recht bezweifeln, aber das Dokument spricht eine klare Sprache. Dass die Äbtissinnen von Salzburg und Säben P. Romanus hingegen in den höchsten Tönen loben, vereinfacht die Frage nach dessen persönlichem Charakter gewiss nicht.

 In Romanus Weichleins Schaffen tritt die Beziehung zur Musik Bibers, Muffats und Schmelzers besonders deutlich hervor. In bemerkenswertem Gegensatz zu seine Zeitgenossen stieß er in seiner Instrumentalmusik energisch zum Solokonzert vor, wobei brilliante Thematik und kadenzartige Passagen als Vorboten der Frühklassik aufleuchten. Der kontrapunktisch geprägte Stil barocker Satzkunst ist bei ihm nicht mehr dominant. An seine Stelle tritt die Lust zur Variation. Neben gebräuchlichen Formen der Variationskunst wie Passacaglia oder Chaconne wird Variation auch im übertragenen Sinn gebraucht. Eine Gigue erscheint etwa in ihrem deutschen, französischen und italienischen Typus. In der sechsten Sonate konzipiert Weichlein in der unscheinbaren Eingangsfuge ein raffiniertes, teilweise die Form in sich ironisierendes und so variierendes Modell der Stimmeneinsatzfolge. Barock im Ausdruck bleibt Weichlein im überschwänglichen, die Grenzen der Realität sprengenden Pathos. Exzessive und farbenprächtige harmonische Wendungen, kühne aus dem barocken Kontext herausragende Klangexperimente vermitteln mit der Vorliebe für volkstümlich inspirierte Melodik das Bild eines genialen und sehr persönlich agierenden Komponisten. Wen wundert es, daß Romanus Weichlein in seiner Säbener Zeit mehrmals als Hexenaustreiber bzw. Exorzist in Erscheinung tritt?

Termine:

  • Do, 17.09.20 20:00 Uhr

    Leider steht das Konzert nicht / nicht mehr zur Online-Reservierung zur Verfügung.
    Restkarten können telefonisch angefragt werden unter:
    +48 851 21 24 64 10

Eintritt:

AK 34,- / 17,- (Mitglieder) / 10,- (Schüler)
Ars Antiqua Austria (photo ©Brendon Heinst) - Cafe Museum Passau

Line-Up:

Ars Antiqua Austria, Leitung: Gunar Letzbor
Ensemble für neue Barockmusik
Gunar Letzbor – Violine
Fritz Kircher - Violine
Peter Aigner - Viola
Barbara Konrad – Viola
Peter Trefflinger – Violoncello
Hubert Hoffmann – Theorbe
Erich Traxler – Orgel
Magdalena Hasibeder - Cembalo