GUNAR LETZBOR _ BACH PRIVAT

Veranstaltungsort: Hl. Geist Kirche Passau, Hl.-Geistgasse 8, 94032 Passau
Einlass: 19:00 Uhr     
Konzert: 19:30 Uhr


Als Einstimmung in den Abend, lauschen Sie hier der Violine von Gunar Letzbor 
https://www.youtube.com/watch?v=gNsFjscrxWs
https://www.youtube.com/watch?v=lht_xrZnbCE 


PROGRAMM

Johann Sebastian Bach 
Sonate a Moll für Violine solo BWV 1003 

sowie Werke von J.J. Vilsmayr, J. P. Westhoff und G.Ph.Telemann 

Wir befinden uns in Bachs Privatwohnung. Heute begrüßt der noch junge Komponist besondere Gäste. Die in ganz Europa bekannten Geiger Johann Joseph Villsmayr und Johann Paul Westhoff haben ihre edlen Violinen bereits gestimmt und beginnen aus ihren Sonatensammlungen für unbegleitete Violine einige Kostproben zu präsentieren. Bachs Freund Telemann ist auch dazugestoßen. Er geigt eine seiner beliebten Fantasien. Nach einem köstlichen Mahl und einem Glas edlen Rotweins, Bach hatte immer einen guten Tropfen auf Lager, präsentiert Johann Sebastian einen Entwurf seiner "Sei Solo a Violino senza Basso accompagnato". Die beiden Virtuosen Villsmayr und Westhoff, aber auch Georg Philipp kommen aus dem Staunen über die Meisterschaft des Gastgebers gar nicht mehr heraus.

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Bach Privat Partiten 

Nähert man sich als Interpret des 21. Jahrhunderts den Partiten von J.S.Bach sowie verwandter Musik, bemerkt man schnell, dass unser Bezug zu den barocken Tänzen fast gänzlich spekulativer Natur ist. Es gibt keine Tradition dieser Tänze bis herein in die Gegenwart. Nur dem Menuett begegnen wir auch in den Werken der Wiener Klassik. Es wird in der Kunstmusik von Beethoven zum raschen Scherzo umgewandelt. In der Volksmusik mündet seine Imitation durch “Bratlgeiger” in die Ländler und Steyrer, Tänze die von niederen sozialen Schichten gepflogen wurden. Noch bei Bruckner klingen diese Weisen eindrucksvoll in seinen Symphonien nach und spannen über ihre Aufführungstradition einen weiten Bogen bis in die Gegenwart, wo sie wieder eine Vorbildrolle für Volksmusikanten einnehmen. 

Aber auch hier begegnen wir einer völlig anderen Musik als bei den Menuetten der Barockzeit. Die Veränderungen in den Jahrhunderten waren gewaltig. Glücklicherweise haben zwei bedeutende Musiker und Zeitgenossen Bachs den Charakter der unterschiedlichen Tänze der Barockzeit beschrieben. Diese Schilderungen sind unsere wichtigste Quelle und der sicherste Weg, sich der damaligen Tanzkultur anzunähern.  Oft beziehen sich die Charakterbeschreibungen entweder eher auf die stilisierten Orchestertänze oder aber auf die wirklich getanzte Musik. Besonders Mattheson differenziert manchmal genauer und spezifiziert auch spezielle Affekte der gegeigten Tänze, wie wir sie in den Kammersonaten finden.

Die gespielten Komponisten lebten in einer Zeit, in der die französische Tanzkultur in Deutschland ihren Siegeszug bereits angetreten hatte und relativ schnell einen festen Platz (neben der italienischen Opernkultur) im Musikbetrieb nördlich der Alpen erobern hatte können. Man engagierte berühmte Tänzer und Tanzmeister aus Frankreich, um die Besonderheiten dieses Metiers zu erlernen. Gleichzeitig reisten auch spezialisierte Musikmeister und Geiger von Hof zu Hof, um den ansässigen Musikern die außergewöhnliche Spielart der französischen Tanzmusik näher zu bringen. Von manchen Virtuosen in deutschen Landen wurde diese Spielmanier als einengend empfunden. Das Besondere der französischen Manier ist eine Art militärischer Drill, eine genaue Ausführungspraxis, die jeder Spieler strikt einzuhalten hat. Nur so kann mit größeren Ensembles eine gleichförmige und überzeugende Artikulation der Melodie erreicht werden. Individualität ist hier fehl am Platz, ja sogar verboten. 

Dem österreichischen Barockkomponisten Georg Muffat haben wir es zu verdanken, dass wir einigermaßen genau über die besonderen Strich- und Verzierungsregeln der Franzosen Bescheid wissen. Muffat war einer der ersten, der französische Tanzmusik nach Österreich und somit auch nach Deutschland brachte. Seine Tanzsammlungen FLORILEGIUM PRIMUM und SECUNDUM fanden weite Verbreitung. Ihnen stellt Muffat jeweils ein detailliertes Vorwort voran, in denen er die geforderte Ausführung, auch für Anfänger in diesem Metier, leicht verständlich beschreibt. Er rechnet eben mit Musikern, die wahrscheinlich zum ersten Mal in ihrem Leben solche Tänze musizieren. Dieser Umstand ist ein großes Glück für uns! Ohne Muffat würden wir bei der Aufführung französischer Instrumentalmusik fast gänzlich im Dunklen tappen! 

Ist es nicht erstaunlich, dass viele Spezialisten für Alte Musik bis heute einen weiten Bogen um Muffat machen? Können wir nicht davon ausgehen, dass auch Bachs Tanzmusik, die ja sehr stark den französischen Stil nachahmt, in der von Muffat beschriebenen Aufführungspraxis musiziert wurde? Das würde aber viele Interpretationen unmöglich machen, die man bis heute allerorts hört! 

Die besonderen Stricharten und Bogeneinteilungen, die bei Muffat beschrieben werden, machen allzu schnelle Tempi unmöglich, sie strukturieren die Melodien stark und geben jeder Figur einen besonderen rhythmischen Charakter. Das Melos tritt in den Hintergrund und lässt rhythmische Komponenten hervortreten. Gleichzeitig helfen die Tanzstriche, die den Tänzen innewohnende formale Struktur natürlich entstehen zu lassen. 

Wenn man zum ersten Mal Tänze in der von Muffat beschriebenen Art musiziert, ist man zuallererst irritiert. Das Ergebnis klingt hölzern, ungelenkig, abgehackt, das Bogengefühl ist so, als würde man die Stange im nächsten Moment verlieren. Es braucht viel Praxis, Geduld und Experimentierlust, bis man zu einem befriedigenden Ergebnis kommt. Viele bogentechnische Fragen gilt es zu lösen, um klangliche Differenzierung zu erreichen. Erst wenn man diese Phase selbst erlebt hat, kann man verstehen, dass die Musiker in der Barockzeit viele Stunden exerzieren (so wie es oft beklagt wird), bis die Musik im Sinne des französischen Geschmackes in voller Schönheit erklingt. 

Bachs Partiten für Violine solo sind für Geiger komponiert, die solche Anfangsprobleme bereits lang zuvor bewältigt haben. Zur Entstehungszeit dieser Solomusik hatte sich der französische Stil bereits in ganz Deutschland durchgesetzt. Die Profis waren entsprechend ausgebildet. Bach komponierte für die besten Geiger seiner Epoche, die sowohl im italienischen als auch im französischen Stil reüssieren konnten.  Sollte man demnach heute Bachs Solosuiten mit den französischen Strichregeln musizieren?

Lasst uns an die Musik so herangehen, wie das ein Virtuose der Barockzeit wahrscheinlich gemacht hat! Ein Solist hat sicherlich in seiner Ausführung auf die Besonderheiten des solistischen Geigenspiels Rücksicht genommen. Die Stricharten sind für das gemeinsame Musizieren im Orchester essenziell, bei solistischer Interpretation muss aber wesentlich differenzierter musiziert werden. Eine strikte Bindung an das Regelwerk würde eine spannende Interpretation behindern, ja fast unmöglich machen. Das bedeutet allerdings nicht, dass man sämtliche Regeln missachten kann. Als Grundlage gelten die Regeln weiter. Sie sind aus der Praxis entstanden und von bedeutenden Geigern entwickelt worden!

Gunar Letzbor 

Termine:

Eintritt:

Einzelkarte 29,- Mitglieder 14,50 Jugendkarte 9,-
 - Cafe Museum Passau

Line-Up:

Gunar Letzbor Violine